Scheitern ist Teil aller Lernprozesse – eine Binsenweisheit! Wer Laufen gelernt hat, ist soo oft auf den Hintern geplumpst und hat trotzdem weiter geübt, bis es geklappt hat: Schon ganz früh im Leben sind wir so zu Experten des erfolgreichen Scheiterns geworden.
Niederlagen und Rückschläge mussten auch alle Gewinner unterwegs wegstecken. Deshalb lässt sich jede Erfolgsgeschichte als ein Scheitern nach oben erzählen – und wird auch gerne so erzählt, denn „Misserfolg ist die Würze, die dem Erfolg erst sein Aroma verleiht.“ (Truman Capote)
Solche GESCHICHTEN ÜBER DAS SCHEITERN lassen sich vor allem IM RÜCKBLICK GUT erzählen, aber wirklich gar nicht, wenn man gerade mittendrin steckt … Da stellen sich diese Fragen: Wäre es noch erfolgversprechend, trotz aller Widrigkeiten unbeirrt immer weiterzumachen? Wann sollte man tunlichst absteigen, weil man längst ‚ein totes Pferd reitet‘?
Von außen ist das kaum zu beurteilen, die innere Stimme ist da besser.
Klar ist dagegen, was die WAHRSCHEINLICHKEIT ZU SCHEITERN auf jeden Fall ERHÖHT.
Hier ein bekanntes Erfolgsrezept: Man nehme
– hohen Druck durch starke Leistungsorientierung, dazu
– eine perfektionistische Erwartungshaltung, angereichert durch
– große Risikoscheu und Fehler-Aversion aus Angst vor dem Versagen,
– gewürzt mit Verbissenheit und Scheuklappen-Denken
Alle Zutaten gut verrühren und mit dieser toxischen Mischung alle Tage kräftig abschmecken!
Und Dauerstress ist garantiert!
Schauen wir mal genauer auf die Zutatenliste:
Motivations-Gurus nutzen die Scheitern-bis-zum-Erfolg-Storys, um uns einzureden, dass Jede und Jeder es nur DURCH WILLENSKRAFT ganz AN DIE SPITZE schaffen kann. TschakaTschaka!!
Rein rechnerisch sind die Plätze auf dem Siegertreppchen aber auf 3 begrenzt (wobei die Zweitplazierten sich oft mehr darüber ärgern, „Gold“ knapp verfehlt zu haben, als sich über „Silber“ zu freuen!). Es liegt also in der Natur der Sache, dass in Wettbewerben jeder Art die allermeisten, egal wie motiviert sie auch sein mögen, „LOSER“ bleiben werden – gemessen mit diesem Sieger-Maßstab.
Sollten wir das ALS SELBSTBEWERTUNG ÜBERNEHMEN? Wie gehen wir damit um, trotz aller Anstrengungen nur im Mittelfeld oder noch darunter zu bleiben, vielleicht für immer?
In Deutschland gebe es eine „GEWINNER-oder-VERLIERER-MENTALITÄT“, mit der eine Intoleranz gegenüber Fehlleistungen einhergehe: „Scheitern ist ein Skandal in unserer leistungsorientierten Gesellschaft.“ So das Fazit der Studie „Gute Fehler, schlechte Fehler“ unter Leitung von Prof. Michael Frese. In Sachen Fehlertoleranz landet Deutschland unter 61 Ländern auf dem vorletzten Platz!
Was für ein schöner Erfolg unseres Bildungssystems mit seiner FIXIERUNG AUF NULL FEHLER …
Wer aktiv wird und etwas Neues versucht, macht selbstverständlich Fehler und kann sogar komplett scheitern. Das ist nichts für die risikoscheuen Deutschen: In der Studie der Universität Hohenheim stimmten 42 % dem Satz zu „Man soll kein Unternehmen gründen, wenn das Risiko des Scheiterns besteht“. Die berühmte VOLLKASKO-MENTALITÄT lässt grüßen!
Hierzulande empfindet man Fehler leider nicht als Lernchancen, sondern als Bedrohung des eigenen Egos (weshalb wir sie wohl auch lieber auslagern und bei anderen suchen). „Demütige“ Menschen seien dagegen sehr gute Fehlermanager, ergab die Studie. Demut meint hier, dass Menschen bereit sind, ihr Handeln realistisch einzuschätzen, ohne sich als Versager zu verurteilen, wenn ihre Pläne gescheitert sind. Wer eigene Fehler weder leugnet noch verdrängt, kann immer etwas daraus lernen.
Trial and Error, Versuch und Irrtum, lautet das Grundprinzip der Evolution, auch für die persönliche Entwicklung und im Umgang mit den Lebensrisiken. Nochmal der Wirtschaftspsychologe Frese: „Wir müssen scheitern, weil Scheitern eine natürliche Begleiterscheinung menschlichen Handelns ist.“ Drastischer sagt es José Ortega y Gasset: „Das Leben ist seinem inneren Wesen nach ein ständiger Schiffbruch. Aber schiffbrüchig sein heißt nicht ertrinken.“
Zum Überleben reicht schon eine ANDERE BEWERTUNG aus: SCHEITERN nicht als Gegenteil von persönlichem Erfolg, sondern als BESTANDTEIL GELINGENDEN LEBENS zu sehen. „Oft sind es erst die Ruinen, die den Blick freigeben auf den Himmel.“ (Viktor Frankl) Wenn Kartenhäuser aus Illusionen zusammengefallen sind, können sich neue Horizonte auftun.
Für mich selbst und in meiner Beratungsarbeit spielt dieser Perspektivwechsel eine zentrale Rolle. Und ausgerechnet in der deutschen Kultur findet sich dafür ein Beispiel, das wir alle kennen:
Als Kinder haben wir laut gelacht über diesen Anti-Helden und seine guten Tauschgeschäfte. Aber schon damals hat mich stutzig gemacht, dass er selbst ausruft: „ich muss in einer Glückshaut geboren sein“ und „so glücklich wie ich gibt es keinen Menschen unter der Sonne.“ Heute, nach vielen eigenen Erfahrungen des Scheiterns, ist mein allerliebstes Märchen das vom Hans im Glück! Ein echter Lebenskünstler, der das Leben in all seinen Höhen und Tiefen auskostet und „mit leichtem Herzen und frei von aller Last“ am Ende seiner (Lebens-)Reise ankommt!
„Federn lassen und dennoch schweben, das ist das Geheimnis des Lebens!“ Hilde Domin
Bild: Eva Glaum / In meinem Blog kann ich nur allgemeine Informationen geben.
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