„Zweifel ist zwar kein angenehmer Zustand, aber Gewissheit ist ein lächerlicher.“ Voltaire
Oh, wieviel leichter könnte das Leben sein, wieviel einfacher das Handeln, wenn uns dabei keine zweifelnden Fragen in die Quere kämen!
Doch halt! Menschen, die NIEMALS an sich, ihren Fähigkeiten und Handlungen zweifeln, leiden unter einer kognitiven Verzerrung, die „Dunning-Kruger-Effekt“ heißt. Sie sind felsenfest überzeugt von ihrer intellektuellen Überlegenheit. „Unwissenheit erzeugt viel häufiger Selbstvertrauen als Wissen“, stellte schon Darwin fest. Je inkompetenter eine Person, desto größer ist oftmals ihre Selbstsicherheit. Misserfolge führen solche Menschen auf die Missachtung ihres Genies zurück oder auf die Verfehlungen anderer. „Dies wird auch als ‚Erklärung der doppelten Bürde‘ bezeichnet“, so Wikipedia, „da der Mangel an Kompetenz mit der Unwissenheit dieses Mangels einhergeht.„ Sie merken also gar nichts davon, wie inkompetent sie sind! Ein englisches Sprichwort sagt: „Zu dumm, um ein Narr zu sein!“
Zweifeln ist tatsächlich eine große Kompetenz unseres Denkvermögens: Das hat die Fähigkeit, sogar eigene Gedanken auf die Probe zu stellen! Unerlässlich in allen innovativen Prozessen: Denn nur dann, wenn wir unsere Lösungen auch kritisch prüfen, kann etwas Brauchbares dabei heraus kommen. „Prüft alles und behaltet das Gute“ (1. Thess 5,21).
Die Fähigkeit zum Zweifeln ist auch eine Charakter-Stärke: „Der aufgeklärte Profizweifler weiß, dass seine Sicht der Dinge nur eine mögliche Sicht von vielen ist. Er fühlt sich frei, sein eigenes Weltbild anzuzweifeln und seine Denke bei Bedarf zu verändern,“ schreibt der Psychologe Stefan Junker. „Das ermöglicht ihm, sich selbst, sein Denken, seine Einstellungen und seine Glaubenssätze von außen zu betrachten – er ist fähig zur Selbstdistanz. Er nimmt seine eigenen Ansichten durchaus sehr ernst und macht sich dennoch entspannt über sie lustig, übt Ironie, karikiert sich und andere. (..) Gerade dadurch, dass er sowohl seine Ansichten als auch die anderer augenzwinkernd anzweifelt und durch den Kakao zieht, wahrt er den Respekt gegenüber seinen Mitmenschen und sich selbst. Er zweifelt entspannt vor sich hin, ohne zu ver-zweifeln.“ (aus Junker: Krise – Hirn an!)
Merke: Zweifeln ist nur in Verbindung mit Selbstdistanz konstruktiv!
Wenn die fehlt, kann das Zweifeln auch schnell nach hinten losgehen. Das exakte Gegenbild zum „Dunning-Kruger-Effekt“ ist das „Impostor Syndrom“: So ein Mensch lebt in Angst, als völlig unfähig enttarnt zu werden, auch wenn er / sie sehr kompetent ist (und auch von außen so eingestuft wird). Dieser starke Selbstzweifel wird auch als „Hochstapler-Syndrom“ bezeichnet (nicht aber die tatsächliche Hochstapelei vom Schlage „Dunning-Kruger“!).
Beide Typen bestätigen sich gegenseitig in ihrer kognitiven Verzerrung. Zusammen bilden sie ein „Dream-Team“, dem man in Betrieben oft begegnet: Der Chef (manchmal: die Chefin) hält sich für großartig und heftet sich alle Erfolge selbst an die Brust, sieht sich aber „von Idioten umgeben“. Und die sind natürlich schuld an Misserfolgen! Dann ziehen die Mitarbeiter (vielfach: Mitarbeiterinnen) den Kopf ein und rackern sich noch mehr ab. Durch maximalen Einsatz soll die gefühlte Inkompetenz, die wie erwartet von außen bestätigt wird, kompensiert werden. Tatsächlich leiden echte Leistungs-träger:innen viel eher am „Hochstapler-Syndrom“ als durchschnittlich Engagierte, und Frauen häufiger als Männer. So mancher Anbieter für Weiterbildungen lebt von Frauen, die glauben, noch lange nicht gut genug zu sein, um endlich mal den nächsten Karriereschritt oder den Sprung in die Selbständigkeit machen zu können, zum Beispiel.
Wie lassen sich solche Muster verändern?
Keine Chance, wenn jeder Selbstzweifel fehlt: Da ist jemand mit Blindheit geschlagen.
Bei chronischen Selbstzweiflern sieht das anders aus! Theoretisch ist es nämlich ganz einfach, zum „aufgeklärten Profi-Zweifler“ zu werden: ENDLICH MAL KONSEQUENT ZWEIFELN! Denn bisher gibt es Grundannahmen von sich und anderen, uralte Glaubenssätze, die niemals hinterfragt werden! Und genau in diesen ‚Schutzgebieten‘ liegt der Hund begraben.
Theoretisch einfach, praktisch erfordert es aber viel zielgerichtete Aktivität. Denn es geht um DENK-GEWOHNHEITEN, stabile Muster im Hirn. Um die zu verändern, kann man sich häufiger mal fragen, ob gut nicht auch gut genug ist, und ob die anderen nicht auch nur mit Wasser kochen … Das Wichtigste ist aber die klare Entscheidung, die Zweifel-Kompetenz des Denkvermögens jetzt konstruktiv einzusetzen! Als Hilfe zum Umlernen hier eine kleine Eselsbrücke: Wer am Zweifeln verzweifelt, sollte mal am Zweifeln zweifeln!
Bildquelle: Pixabay
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