Teil 3 der Serie STRESSFAKTOR MITMENSCH
STRESS ist heute das Wort für alles, was uns irgendwie belastet. Aber was genau ist Stress? Und was läuft in Gehirn und Organismus ab, wenn die biologische Stress-Reaktion einsetzt?
Sobald unsere Sinne GEFAHR melden, alarmiert ANGST das Urzeit-Hirn, und der lebensrettende KAMPF-FLUCHT-REFLEX wird ausgelöst: „Sobald man sich in Gefahr befindet, reagiert man schon. Die Evolution denkt für dich“ (Joseph LeDoux). Ohne diesen vollautomatischen Schutz von Leib und Leben hätten unsere Urahnen die Wildnis nie überlebt!
Akute Gefahraktiviert SYSTEM 1, das schnelle, instinktive und emotionale Denken vonStamm-und Mittelhirn. Dort liegt der Mandelkernkomplex Amygdala, eine sehr empfindliche ALARMANLAGE. Was über Augen, Ohren und andere Sinne hereinkommt, wird sofort überprüft und mit gespeicherten Erfahrungen abgeglichen. Bei Gefahr wird die Abwehr-Reaktion aktiviert: Im Hirnstamm werden alle Körper-Funktionen umgestellt auf NOTFALL-BETRIEB. Das autonome bzw. VEGETATIVE NERVENSYSTEM sorgt dafür, dass da Energie ist, wo sie zur Lebensrettung gebraucht wird: Die Atmung wird schneller und flacher, um ganz schnell sehr viel Sauerstoff in den Körper zu pumpen. Das Herz schlägt kräftiger und schneller (es ‚klopft bis zum Hals‘), das Blut wird schneller durch die Adern gepumpt, die sich zusammenziehen, der Blutdruck steigt. Zur Selbstverteidigung brauchen auch die Muskeln jetzt viel mehr Energie, zum Kämpfen oder Weglaufen vor allem die großen Muskeln von Armen und Beinen.
►DIE STRESS-REAKTION VERSCHAFFT UNS BÄRENKRÄFTE!
Wo kommt diese zusätzliche Energie her? Natürlich nur von innen: Das gesamte ENERGIE-MANAGEMENT IM ORGANISMUS WIRD UMGESTELLT. Alles, was nicht zur Lebensrettung gebraucht wird, läuft nur noch ‚auf Sparflamme‘. Dazu zählt vor allem der Verdauungsapparat (der nur in Ruhephasen gut arbeiten kann). Auch das Fortpflanzungssystem wird abgeschaltet. Und es gibt einen ganz besonderen ENERGIEFRESSER: Das GROẞHIRN. Unser bewusstes Denkvermögen, das langsame, anstrengende, analytische und logische SYSTEM 2, ist jetzt unnütz. Von dort wird eine Menge ENERGIE ABGEZOGEN! Die Folge: STRESS MACHT UNS DÜMMER.
Überhaupt zeigt allein schon diese Energieumstellung, welche Krankheitsbilder entstehen, wenn unser Stress-System viel zu oft aktiv ist: Herz-Kreislaufprobleme, Bluthochdruck, Verdauungsstörungen, Muskel-Verspannungen etc.
Noch mehr Probleme bereitet uns ein anderer Teil der Stress-Reaktion: Der TOTSTELL-REFLEX. Der setzt dann automatisch ein, wenn das Urzeit-Gehirn die aktive Lebensrettung aufgibt. Dann wird die Energie im gesamten Körper extrem runtergefahren – in der Tierwelt ein äußerst wichtiger Reflex zum Überleben. Bei uns Menschen setzt diese letzte Stufe auch automatisch ein – nämlich nach sehr langen Phasen von aktivem Stress! Dann steigt die Gefahr von Krankheiten, die mit völliger Erschöpfung einhergehen, wie Burnout und Depression. Auch Herzinfarkte haben diese Ursache.
Für die aktive wie die passive Stress-Reaktion gilt:
► Was im Notfall rettet, ist im Dauerbetrieb äußerst schädlich oder tödlich!
CHRONISCHER TOXISCHER STRESS ist laut Studien aus den USA heute die KRANKHEITSURSACHE NR.1. Denn die Energieumstellung erfolgt bis in die letzte Körperzelle, wo normale Wachstums- Heilungs- und Reparatur-Aktivitäten eingestellt werden. Auch das Immunsystem gerät völlig aus der Balance: Alle Power wird für mögliche Verwundungen reserviert: Entzündungsfördernde Zytokine nehmen rasant zu, um bei Verletzungungen sofort Reparaturmaßnahmen einzuleiten. Andere Funktionen des Immunsystems – wie die Viren-Abwehr oder das Unschädlichmachen von Krebszellen – müssen auf ‚bessere Zeiten‘ warten. Wenn die aber ausbleiben, können sich Krankheitsherde unkontrolliert ausbreiten!
Von Natur aus ist Stress-Reaktion die einzige LEBENSVERSICHERUNG, die diesen Namen wirklich verdient hat. Doch dieses sinnvolles System ist bei uns außer Rand und Band! Seine Kompetenz ist heute kaum noch brauchbar: Wie oft gibt es wirklich lebensbedrohliche Angriffe?
GEFÜHLTE ANGRIFFE sind unser HAUPTPROBLEM. Da reicht oft der Tonfall oder die Mimik des Gegenübers, um alte Muster im Emotionshirn zu triggern (siehe Teil 1 + 2). Je geringer die Selbstsicherheit, umso aktiver das Verteidigungssystem: „Der hat so geguckt, da hab ich ihm eine reingehauen“, sagt ein jugendlicher Gewalttäter.
Solche unwillkürlichen Prozesse sind über das denkende Großhirn jedoch beeinflussbar: Für bessere Selbstregulation brauchen wir SYSTEM 2, denn nur das bewusste Denken kann das Chaos der Gehirnstürme beruhigen und neue Handlungsmöglichkeiten finden. So werden wir Stress-resistenter! „Es ist eine echte Herausforderung und mag in Krisen auf den ersten Blick anmuten wie die Quadratur des Kreises. Möglich ist es dennoch: Das Gefühl der Sicherheit, Geborgenheit und Identität in einer krisenhaften Welt. Wer sich danach sehnt, darf nicht im Außen suchen (…) Sicherheit in einer sich immer schneller wandelnden Welt kann nur im Inneren gefunden werden.“ (aus Stefan Junker: Krise – Hirn an!)
Genau das ist aber oft ein Problem: Denn Stress-auslösende Signale kommen nicht nur von außen, sondern auch von innen! Wir alle haben GEWOHNHEITSWIRKLICHKEITEN, stabile Muster im Hirn, mit Grundannahmen von sich selbst und anderen. Zur Entstehungszeit (zumeist in der frühen Kindheit) waren das in der Regel angemessene Lösungsversuche für die damaligen Möglichkeiten. Wenn solche URALTEN GLAUBENSSÄTZE aber nicht ‚mitwachsen‘, sondern auch im Erwachsenenalter nie bewusst hinterfragt werden, dann sind dies DIE WIRKUNGSVOLLSTEN STRESSOREN, die es gibt!
Fortsetzung: Gelassen und bewusst mit Bedrohungen umgehen
Bildquelle: Pixabay
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