Teil 2 der Serie STRESSFAKTOR MITMENSCH
Eine unserer wichtigsten Fähigkeiten kennen wir kaum: Wir können anderen Menschen quasi ‚in den Kopf gucken‘ – und andere uns! Sigmund Freud bemerkte, „dass die Sterblichen kein Geheimnis verbergen können. Wessen Lippen schweigen, der schwätzt mit den Fingerspitzen.“
Unsere Wahrnehmung ist aber wie ein Eisberg: Der größte Teil bleibt uns verborgen. Das ist der Austausch direkt zwischen den Gefühlshirnen. Wir bemerken davon nur die Auswirkungen. Wie diese unbewusste Kommunikation abläuft, wird seit über 100 Jahren erforscht. Erste Ergebnisse gibt es: Die Entdeckung der Spielgelneuronen im Hirn erklärt unser Einfühlungsvermögen in andere Menschen. Indem wir ihre Gefühle spiegeln und nachahmen, können wir mit-fühlen und andere deshalb verstehen, – überlebenswichtig für sozial lebende Säugetiere (wie uns Menschen).
Unsere Sinne empfangen die komplexen Signale der gesamten Körpersprache, die uns sehr genau vermittelt, wie es in einem Menschen aussieht. Herausragend dabei sind die AUGEN-BLICKE.
Die Augen gelten seit altersher als FENSTER DER SEELE, ohne Wort sprechen sie Bände: Die BLICKE, DIE TÖTEN KÖNNTEN, oder die LIEBE AUF DEN ERSTEN BLICK gehören zur enormen Bandbreite von Gefühlen, die sich über Augen vermitteln.
Unsere Wahrnehmung ist aber noch viel subtiler! Wir merken, wenn uns jemand von hinten intensiv ansieht, wie jede/r wohl schon mal erlebt hat. Auch die AUSSTRAHLUNG eines Menschen erfassen wir intuitiv: In den ersten Sekunden bekommen wir einen komplexen und ganzheitlichen Eindruck, der uns jedoch nur als diffuses Gefühl bewusst wird. Für solche Phänomene hat die Wissenschaft noch gar keine Erklärung. Vermutlich spielt der Geruchssinn bei Sympathie oder Antipathie eine große Rolle. Unterschwellig scheinen wir jemanden ‚gut riechen zu können‘ – oder eben nicht. Auch für die Partnerwahl haben wir so ‚ein Näschen‘.
Und wir haben einen sehr ‚GUTEN RIECHER‘ FÜR DIE WUNDEN PUNKTE VON ANDEREN MENSCHEN! Das ist die dunkle Seite der Empathie: Mit traumwandlerischer Sicherheit können wir zielsicher in die richtige Kerbe hauen, wenn wir jemandem eins auswischen wollen. Und wissen genau, welche Art von ‚vergiftetem Kompliment‘ die gewünschte Wirkung haben wird. Oder was jemanden totsicher auf die Palme bringt.
Von „fremden Ichen“ haben wir ein intuitives Wissen – nur DIE EIGENEN VERWUNDBAREN STELLEN kennen wir kaum! Weil sie wie VERBORGENE TRETMINEN bei Berührung sofort explodieren können, ist diese Betriebsblindheit sehr gefährlich.
Das Problem, sich selbst in den Kopf zu gucken, hat Prentice Mulford Ende des 19. Jh. so schön beschrieben: „Seit 49 Jahren versuche ich, mit diesem inneren Kerl bekannt zu werden. Manchmal glaube ich, es stecken ein halbes Dutzend Individuen wie die Zwiebelschalen in meiner Haut, jedes mit seinen Privatfaxen, Vorurteilen, Unarten und Begierden, und einzeln ‚Urlaub‘ verlangend, wie Matrosen, die an Land einen freien Tag haben wollen.“
Diese verschiedenen Facetten einer Person nennt man heute z.B. „Ego States“. Und diese „fremden Iche“ in uns lernen wir am besten durch andere Menschen kennen – und könnten ihnen eigentlich dafür sogar dankbar sein! Denn wenn wir mit (heftigen) Emotionen auf sie reagieren, gewinnen wir ein Stückchen Selbsterkenntnis. Zum Beispiel darüber, wie leicht wir aus der Fassung zu bringen sind:
„Der Böse wohnt ja schon recht merkwürdig! Das muss man ihm lassen: In knarrenden Fenster-flügeln, im Schmatzen des Nächsten ist er zuhause“, schreibt Mulford (in: Unfug des Lebens und des Sterbens), und er verweist darauf, dass man immer am meisten SICH SELBST ÄRGERT. Er nennt das den „Gedankenmob, der mir die Seele verpöbelt“, und schreibt: „Eine widerliche Unart am Nebenmenschen, eine Flegelei, gemeine Stimme … diese ganze niedere Umwelt wächst uns rettungslos über den Kopf, lassen wir ihr nur einmal den Größenwahn durchgehen, uns belästigen zu können. Was uns belästigt, beherrscht uns – wer wird sich aber von einem Rüpel beherrschen lassen? (…) Nicht jener und seine Unarten … DIE STIMMUNG DES BELÄSTIGSEINS MUSS NIEDERGERUNGEN WERDEN.“ Deshalb rät er: „Wenn dich etwas belästigt, fasse den Entschluss, dich nicht mehr belästigen zu lassen – mache dich leer und lass es durch die Anschauung hindurchfallen wie einen Pflasterstein im Nebel.“
Wer solche Durchlässigkeit ereicht hat, bietet keinen Angriffspunkt mehr – und andere merken das sofort. Der Mann muss damals den ZEN-Buddismus schon gekannt haben!
Die bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit auf das gewünschte Ziel ist eine der wichtigsten Techniken zur Stressbewältigung und für eine gelingende Selbststeuerung. Alle lösungsorientierten Methoden setzten hier an:
Energy flows, where attention goes!
Deshalb hilft die Umlenkung der Aufmerksamkeit auf die gewünschten Gefühle: Wenn uns etwas an eine schöne Erfahrung erinnert, dann wird im Gefühlshirn das gesamte damit verbundene Netzwerk wieder aktiviert. So reicht oft allein der Gedanke an den Ort, an dem wir eine schöne und entspannte Zeit erlebt haben, um einen ähnlichen emotionalen Zustand wieder zu aktivieren.
Fortsetzung: Was die STRESS-Reaktion in unserem Organismus auslöst
Bildquelle: Pixabay
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