„So bin ich eben!“ Stimmt, aber das liegt weniger in den Genen (s. Teil 1) als an der eigenen GEWOHNHEITS-WIRKLICHKEIT. Aus sehr oft wiederholten Handlungen, Stimmungen und Gedanken macht das kluge Gehirn nämlich stabile neuronale Netzwerke. Ohne solche Netzwerke ginge gar nichts! Denn im menschlichen Hirn gibt es ca. 100 Milliarden Neuronen, jedes einzelne davon ist durch 8-10.000 Synapsen mit anderen Neuronen verbunden. Dieses außerordentlich komplexe System funktioniert nur über MUSTER-BILDUNG und MUSTER-ERKENNUNG so unglaublich zuverlässig.
Zum Beispiel das Sehen: Wir denken ja, dass wir die Welt da draußen genau so sehen, wie sie wirklich ist. Doch das fotografische Sehen ist ein Trugschluss. Der allergrößte Teil der neuronalen Netzwerke für die visuelle Wahrnehmung hat keinerlei Verbindung zur Außenwelt. Stattdessen sind diese Netzwerke mit der System-internen Signalverarbeitung beschäftigt, also der INTERPRETATION VON INFORMATIONEN. Es geht dabei um einen MUSTER-ABGLEICH, z.B.: Kenne ich das? Hab ich so etwas schon mal gesehen? Woran erinnert mich das? Womit war es verbunden? Mit guten ode schlechten Erfahrungen / Gefühlen? etc.
Was wir sehen, hören, riechen, fühlen usw. hat vor allem damit zu tun, was wir in unserem Leben erlebt haben. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass zwei Menschen genau das gleiche wahrnehmen! Was dann eine Quelle von Missverständnissen ist, oder Stoff für Komödien.
Ohne unser GEDÄCHTNIS mit den darin gespeicherten Erfahrungen, „Mustern“, könnten wir mit den Nervensignalen aus den Sinnesorganen gar nichts anfangen. Das zeigen die tragischen Schicksale von Menschen, die nach Unfall oder Krankheit ihr Gedächtnis verloren haben: Alles ist jeden Tag ganz neu, sie können nichts mehr einordnen und verstehen, einschließlich der engsten persönlichen Beziehungen …
Stabile neuronale Netzwerke sind für unser Leben also extrem wichtig. Doch genauso wichtig ist es, uns jederzeit an veränderte Bedingungen (draußen oder in uns selbst) anpassen zu können. Dazu muss die Antwort auf „das Neue“ im Hirn verankert werden, und das geschieht auf zwei Arten:
1. NEUE MUSTER BILDEN! Das machen wir immer dann, wenn wir etwas lernen, wie etwa eine Sportart. Die ersten Stufen des Lernens sind besonders schwierig, alles ist unbekannt und sehr anstrengend! Ich habe auch noch nicht mal eine Ahnung davon, was ich alles noch lernen muss, bis ich das dann, Stufe 2, allmählich merke. In der 3. Stufe wird mir bewusst, was ich schon kann, und in der 4. Stufe ist „es mir in Fleisch und Blut übergegangen“, also ein neues Muster entstanden.
2. ALTE MUSTER VERÄNDERN! Das machen wir immer dann, wenn wir uns persönlich weiterentwickeln, z.B. in der Pubertät, wo sich lang eingeübte Verhaltensweisen plötzlich ändern, oftmals zum Leidwesen der Eltern. Solche „Ordnungs-Übergänge“, wie sie in der Forschung heißen, sind nicht nur mit biologischen Wandlungen im Leben verbunden, sondern auch mit biografischen Veränderungen (Beruf, Familiengründung, Ortswechsel) oder krisenhaft erlebten Zeiten (Todesfälle, Trennungen, schwere Krankheiten). Das bisherige System ist instabil geworden, die alten Muster funktionieren nicht mehr richtig, neue Muster müssen sich aber erst noch entwickeln. Darin liegt die DOPPELNATUR VON KRISEN, treffend ausgedrückt im chinesischen Schriftzeichen für Krise, das zusammengesetzt ist aus „Gefahr“ und „Chance“.
Die GEFAHR liegt darin, dass wir „auf Teufel komm raus“ versuchen, unsere liebgewonnenen Gewohnheiten gegen jeden Veränderungsdruck zu verteidigen. Erst dieser innere Widerstand macht die Sache so dramatisch. „Bemühungen, die alte Normalität dennoch am Leben zu erhalten und das Auftauchen des Neuen zu verhindern, gleichen dem Versuch, einen großen Ball unter Wasser zu drücken. Es kostet Kraft, glückt vielleicht eine Zeit. Irgendwann gelingt es nicht mehr. Die Auftriebskräfte des Neuen sind unbeugsam und kompromisslos. Sie gewinnen immer.“ (Stefan Junker, Krise – Hirn an!)
Die CHANCE besteht darin, dass wir notwendige Änderungen auch ganz bewusst beeinflussen bzw. vornehmen können, viel leichter als zu anderen Zeiten. Wer hätte nicht schon selbst erlebt, dass etwas, das zuerst nur als Tiefschlag oder Katastrophe erschien, sich in der Rückschau als Weichenstellung für eine entscheidende Richtungsänderung entpuppt hat? Solche wertvollen Erfahrungen sind auch als Muster im Gedächtnis abgespeichert. Wenn wir sie wieder aufrufen, können wir für alle weiteren Krisen und Umbrüche VON UNS SELBST LERNEN!
Als Hilfestellung dazu einige Fragen:
– Welche schwere(n) Krise(n) habe ich schon überstanden, und wie bin ich damit umgegangen?
– Welche Einstellung und Haltung hat mir dabei geholfen, die Krise zu überwinden / zu nutzen?
– Wer war ich nach Überwindung der Krise: Was habe ich daraus gelernt?
– Bin ich durch die Krise vielleicht stärker geworden? Falls ja, woran merke ich das?
Bild: Pixabay
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